Verschränkte Ziel- und Moduswahl
Die Ziel- und Modus-Wahlen für die Aktivitätsausübungen und Trips einer Tour erfolgen nacheinander, wobei eine Wahl immer auf den vorherigen Entscheidungen basiert. Dabei wird mit der sogenannten Hauptaktivität, also der zentralen Aktivität, begonnen. Anschließend werden nacheinander Ziel- und Modus der anschließenden (Neben-)Aktivitäten bestimmt.
Bei einer Wegekette wie Home - Work - Shopping - Home wird also zunächst das Ziel der Work-Aktivität gewählt. Bei jeder Wahl werden immer die Nutzen der gesamten (bisher schon berechneten) Wegekette berücksichtigt. (Bei Tour-basierten Modellen nennt man dieses Prinzip Rubberbanding.) Da im ersten Schritt lediglich die Home-Standorte bekannt sind, wird also die Wegekette Home - Work - Home betrachtet, wobei die Nutzen der Wege Home - Work sowie Work - Home in die Entscheidung eingehen.
Im nächsten Schritt wird der Leisure-Standort gewählt, es werden also die Wegekette Home - Work - Leisure - Home sowie die Trips Work - Leisure und Leisure - Home betrachtet (der Trip Home - Work steht ja schon fest und wird deshalb nicht weiter berücksichtigt).
Bei jedem Schritt werden immer der Zielort und der Modus gewählt, die Entscheidungsmodelle sind ‚nested‘ Logit-Modelle. Der Zielnutzen ergibt sich dabei also als LogSumme aus den Nutzen der Modi, die Modusnutzen basieren auf den Kurzwegen zu einem passenden Zeitbereich. Der gewählte Zeitbereich, zu dem die Kurzwege ausgewertet werden, umfasst dabei entweder den Start- oder den Endzeitpunkt des Trips, abhängig davon, was bereits im Augenblick der Entscheidung bekannt ist.
Im ersten Schritt ist die Startzeit der Aktivität Arbeit (z.B. 08:10) bekannt. Sie ist identisch mit der Endzeit des Trips Home - Work und damit der relevante Zeitbereich für diesen Trip. Der Rückweg beginnt um 17:30 (Startzeit 08:10 + Dauer 9:20), also ist diese Zeit relevant für den Trip Work - Home.
Mit der Wahl eines Ziels und Modus sind automatisch auch die Start- bzw. Endzeiten der an die Aktivität angrenzenden Trips bekannt. Auf diese Weise können alle Ziele und Modi sukzessive gewählt werden.
Die Wahl der Modi der Wege von und zu den Nebenaktivitäten wird vom Haupt-Modus (also der Modus, der im ersten Schritt zur Hauptaktivität gewählt wurde) eingeschränkt: ist dieser nicht austauschbar, so steht damit der Modus aller Trips bereits fest. Ist er austauschbar, so sind für alle Trips alle austauschbaren Modi wählbar. Der Zielnutzen, der ja aus der LogSumme über alle Modi gebildet wird, berücksichtigt immer nur die für die zugehörigen Trips wählbaren Modi. Sub-Touren werden noch nicht berücksichtigt.
Die Ziel- und Moduswahl kann mit unterschiedlichen Nutzendefinitionen für mehrere sogenannte Tourgruppen durchgeführt werden. Tourgruppen entsprechen dabei Nachfragesegmenten oder Nachfrageschichten. Sie sind nicht Teil des Nachfragemodells, sondern werden im Verfahren temporär definiert.
Die Kurzwegsuchen bilden die Basis der Kenngrößen zwischen Standorten. Im Fall von IV-Modi sind das die gewöhnlichen Kurzwegsuchen, die auch interaktiv in Visum berechnet werden können. Die Modellierenden spezifizieren das Widerstandskriterium, in der Regel ist das der Widerstand des entsprechenden Verkehrssystems.
Bei ÖV-Modi wird eine andere als die interaktive Kurzwegsuche verwendet. Der intermodale Kurzweg setzt sich zusammen aus einem Zu- und Abgangsweg zum bzw. vom Haltestellenbereich sowie einem Matrixwert einer Haltestellenbereichsmatrix. Zu- und Abgangswege sind ÖV-Fußwege, als Haltestellenbereichsmatrix wird eine Widerstandsmatrix gewählt.
Alle innerhalb einer bestimmten Zeit erreichbaren Haltestellenbereiche kommen als Start bzw. Ende des ÖV-Wegs in Frage. Der Kurzweg ist dann der Weg mit dem geringsten Widerstand unter allen Kombinationen der in Frage kommenden Haltestellenbereiche.
Diese spezielle Art der Kurzwegsuche für den ÖV hat einen Grund: Die alternative direkte Verwendung des ÖV-Fahrplans würde es erfordern, ein Modell für die Verschiebung der Startzeit in Hinblick auf den Fahrplan zu implementieren. Ohne ein solches Modell würde der ÖV-Modus ggf. nur deshalb nicht gewählt, weil der angepeilte Bus schon wenige Minuten vor der gewünschten Abfahrtzeit fahrplanmäßig abgefahren wäre. Die Komplexität des Nachfragemodells würde sich dadurch erheblich erhöhen.
Eine solche Genauigkeit ist nicht notwendig. Obwohl sämtliche Start- und Fahrzeiten sekundengenau berechnet werden, ist damit nicht gemeint, dass das Nachfragemodell tatsächlich auf diesem Genauigkeitsniveau arbeitet. Mit Kenngrößen je Zeitbereich wird genau das Genauigkeitsniveau abgebildet, das für eine Nachfrageberechnung sinnvoll ist. Es ist außerdem insbesondere bei Nachfrageberechnungen für die fernere Zukunft gar nicht wünschenswert, wenn das Modell auf die (notwendigerweise) sekundengenaue Modellierung eines noch nicht vollständig bekannten ÖV-Angebots entsprechend empfindlich reagiert.