Oberknoten

Bei der Abbildung von Straßen und anderen Verkehrsflächen, die durch Mittelstreifen oder Verkehrsinseln mehr oder weniger stark strukturiert sind, ergeben sich mehrere Möglichkeiten, diese in einem Verkehrsmodell abzubilden. Bei relativ starker Abstraktion werden die inhaltlich zusammengehörenden Bestandteile, beispielsweise die beiden Richtungsfahrbahnen einer Straße, durch eine einzige Strecke dargestellt. Dieses ist die für verkehrsplanerische Untersuchungen am besten geeignete Sichtweise. Mit der zunehmenden Verwendung von Navigationsnetzen mit disaggregierter Abbildung der Realität als Basis für Verkehrsmodelle spielen Netze mit kleinteiliger Aufteilung eine immer größere Rolle. In diesen Modellen sind dann die beiden Richtungsfahrbahnen als zwei getrennte Strecken im Visum-Modell vorhanden. Allerdings würde eine Zusammenfassung in eine aggregierte Darstellung neben einem hohen Arbeitsaufwand einen ungewollten Informationsverlust verursachen, denn die vorhandene feinere Aufteilung wird spätestens bei der Durchführung von Mikrosimulationen mit dem Mikrosimulationsprogramm Vissim wieder gebraucht.

Bei konventioneller Modellierung kommt es zu einem Widerspruch zwischen der angesprochenen Forderung nach disaggregierter Netzdarstellung und jener nach differenzierten Abbiegezuschlägen je Abbiegetyp. Wir wollen dies an einem Beispiel verdeutlichen.

Abbildung 12: Kreuzungsbereich mit mehreren Knoten

Treffen zwei Straßen wie in Abbildung 12 mit getrennten Richtungsfahrbahnen aufeinander, zerfällt der Kreuzungsbereich in vier Knoten. Sind zusätzlich Dreiecksinseln vorhanden, kommen jeweils noch die Abbiegespuren mit den zugehörigen Knoten hinzu. Ein Verkehrsteilnehmer, der im Bild von unten kommend nach links abbiegt, überfährt nacheinander die gekennzeichneten Knoten 1 bis 5. Nur am Knoten 3 folgt er einem Abbieger, der einen Linksabbieger darstellt, alle anderen Knoten überquert er geradeaus. Rechtsabbieger berühren nur zwei Knoten, an beiden befahren sie einen Abbieger nach rechts hin, wogegen geradeaus führende Wege vier Knoten passieren. Würden nun Abbiegezuschläge pro Abbieger vergeben, wirkt am Knoten die Summe aller überfahrenen Abbieger, obwohl darin enthaltene Anteile wie das Warten an einer LSA in der Realität nur einmal zum Tragen kommen. Eine mögliche Lösung bestünde darin, die Abbiegezeiten der einzelnen Fahrtbeziehungen individuell so zu belegen, dass die Summe aller überfahrenen Abbieger den gewünschten Wert für die Fahrtbeziehung ergibt. Das ist mit einer typbasierten Vergabe von Werten jedoch nicht möglich, da gleichartige Abbieger am gleichen Knoten unterschiedlich attribuiert werden müssten; es müsste vielmehr für jeden Kreuzungsbereich ein lineares Gleichungssystem gelöst werden.

Der Oberknoten realisiert nun die Denkweise, die einer solchen Lösung zugrunde liegt, indem er die zu einem Kreuzungsbereich gehörenden Knoten explizit zu einem eigenen Objekt zusammenfasst. Alle Knoten des Kreuzungsbereichs bilden dadurch logisch eine Einheit, die an die Stelle der bisherigen Knoten tritt. Abbieger werden auf der logischen Ebene des Oberknotens betrachtet und heißen dort Oberabbieger.

Strecken, deren Von-Knoten und Nach-Knoten zum gleichen Oberknoten gehören, heißen innere Strecken des Oberknotens. Ist nur einer der Knoten Bestandteil des Oberknotens, spricht man von einer Kordonstrecke. Diese bilden die Zu- und Abgänge in und aus dem Oberknoten: Jede Fahrtbeziehung betritt den Oberknoten über eine Kordonstrecke und verlässt ihn über eine andere. Eine Strecke ist auch dann Kordonstrecke, wenn beide Knoten verschiedenen Oberknoten zugeordnet sind.

Die Zusammenfassung mehrerer Knoten zum Oberknoten definiert, basierend auf den Knoten des Oberknotens, verschiedene Arten von Strecken:

  • Innere Strecken: Von- und Nach-Knoten gehören zum Oberknoten (Abbildung 13: (1)).
  • Kordonstrecken: einer der beiden Knoten gehört zum Oberknoten, der andere liegt außerhalb (Abbildung 13: (2)).
  • Gerichtete Strecken oder Einbahnstraßen: das bedeutet eine Strecke, bei der in mindestens einer Richtung die Verkehrssystemmenge leer oder die Anzahl aller Fahrstreifen null ist.

Außerdem gibt es im Zusammenhang mit Oberknoten verschiedene Arten von Knoten:

  • innere Knoten: von dort gehen nur innere Strecken aus (Abbildung 13: (3)).
  • Kordonknoten: von dort gehen mindestens eine Kordonstrecke und eventuell innere Strecken aus (Abbildung 13: (4)).
  • Teilknoten: sämtliche Knoten, die einem Oberknoten zugeordnet sind. Dies können innere Knoten, Kordonknoten und außerhalb der Oberknotenumrandung liegende Knoten sein.

Abbildung 13: Knoten- und Streckenarten bei Oberknoten

Hinweis: Die Oberknotenumrandungen werden als Flächen verwaltet und können aus mehrteiligen Polygonen oder Polygonen mit Löchern bestehen (Mehrteilige Flächen).