Einführung in die Verfahren der Umlaufbildung

Anwendungsgebiete

Eine wesentliche Aufgabe der strategischen Planung im ÖV ist es, die Anzahl der benötigten Fahrzeuge zu bestimmen, mit der ein vorgegebener Fahrplan befahren werden kann. Die dadurch entstehenden Kosten sind dabei zu minimieren. Zur Lösung dieser Aufgabenstellung setzen Sie in Visum das Verfahren der Umlaufbildung ein.

Eine weitere Aufgabe der strategischen Planung ist die Planung des Fahrzeugeinsatzes abhängig von der Kapazität der einzelnen Fahrzeugkombinationen und von der Nachfrage auf Fahrtebene. Hierfür kann das Verfahren Umlaufbildung mit Fahrzeugaustausch verwendet werden.

Wird Visum im Gesamtkontext einer ÖV-betrieblichen Linienleistungs- und -erfolgsrechnung eingesetzt, so können die Ergebnisse der Umlaufbildung einen Baustein des Kostenmodells bereitstellen. Die Umlaufbildung liefert mit dem Fahrzeugbedarf eine Eingangsgröße für die Bestimmung der fahrzeugtypabhängigen Kosten, genauer gesagt geht der Fahrzeugbedarf in das Attribut Kosten Fahrzeug ein. Außerdem werden in der Umlaufbildung die notwendigen Leerfahrten ermittelt. Die Leerzeit geht dabei in das Attribut Kosten Zeit, die Leerkilometer in das Attribut Kosten Entfernung ein. Eine Übersicht über das ÖV-Kosten- und -Erlösmodell finden Sie in Abbildung 211.

Hinweis: Im Verzeichnis C:\Users\Public\Documents\PTV Vision\PTV Visum 2024/Examples finden Sie ein Anwendungsbeispiel zu diesem Thema. Das Beispiel PuT eLine Blocking zeigt die Verwendung von Umlaufbildungen für ein gegebenes ÖV-Angebot unter Berücksichtigung von batterieelektrischen Fahrzeugen.

Grundbegriffe

Ausgangspunkt der Umlaufbildung ist der Fahrplan mit den Fahrplanfahrten, die von den Umläufen zu absolvieren sind (Visum bildet die Umläufe auf der Ebene der Fahrplanfahrtabschnitte). Umläufe ergeben sich durch die Verknüpfung einzelner Fahrten zu Fahrtenketten, die jeweils von einer Fahrzeugkombination abgeleistet werden können. Im einfachsten Fall wird eine Fahrt an ihrer Endhaltestelle mit einer nachfolgenden Fahrt, die an diesem Haltepunkt beginnt, verknüpft. Ist eine derartige Verknüpfung nicht möglich oder sinnvoll, dann kann die Fahrzeugkombination in einer Leerfahrt zu einem anderen Haltepunkt umgesetzt werden. Als Umsetzen zählen nur die Leerfahrten mit einem echten Ortswechsel zwischen zwei Haltepunkten. Wechselt ein Fahrzeug von einem Haltepunkt in das Depot am gleichen Haltepunkt oder umgekehrt, wird dies als Aussetzen beziehungsweise Einsetzen bezeichnet. Diese Unterscheidung ist wichtig bei der Wahl der Option Umsetzen zulässig (Anwendung: Parameter der Umlaufbildung). Beim Ein- oder Aussetzen ohne Ortswechsel fallen weder Leerzeiten noch Leerkilometer an.

Wie in der Abbildung 184 dargestellt, gehören dazu folgende Zeiten.

  • Umsetzzeiten

Zeiten für Umsetzfahrten zwischen zwei Fahrplanfahrten, die an unterschiedlichen Haltepunkten enden bzw. beginnen.

  • Standzeiten

Wartezeiten an einem Haltepunkt bis zur nächsten Abfahrt einer Fahrplanfahrt.

Diese unproduktiven Leerzeiten ohne Fahrgastbeförderung können in Visum bei der Umlaufbildung ermittelt und dann bei der Kostenberechnung der Linien berücksichtigt werden. Das gleiche gilt für die Leerkilometer.

Nach der Umlaufbildung sind die Leerzeiten und die Leerkilometer für jeden Umlauf bekannt und werden in der Umlaufliste dargestellt.

Abbildung 184: Beispiel für einen Umlauf mit Ein-, Aus- und Umsetzfahrten

Nr

Tätigkeit

VonHst

NachHst

ab

an

Linie

Zeit

Länge

1

Einsetzen

 

Hst3

06:00

06:30

 

30 min

10 km

2

Fahrplanfahrt

Hst3

Hst1

06:30

07:15

BUS1-1>

45 min

30 km

3

Umsetzen

Hst1

Hst2

07:15

07:30

 

15 min

10 km

4

Stand

Hst2

Hst2

07:30

08:00

 

30 min

0 km

5

Fahrplanfahrt

Hst2

Hst1

08:00

08:15

BUS1-2>

15 min

10 km

6

Stand

Hst1

Hst1

08:15

08:30

 

15 min

0 km

7

Fahrplanfahrt

Hst1

Hst3

08:30

09:15

BUS1-1>

45 min

30 km

8

Stand

Hst3

Hst3

09:15

09:30

 

15 min

0 km

9

Fahrplanfahrt

Hst3

Hst1

09:30

10:15

BUS1-1>

45 min

30 km

10

Aussetzen

Hst1

 

10:15

10:45

 

30 min

10 km

Tabelle 211: Beispiel für einen Umlauf mit Ein-, Aus- und Umsetzfahrten

Optimierungsproblem

Bei der Optimierungsaufgabe der Umlaufbildung besteht grundsätzlich ein Zielkonflikt zwischen der Anzahl der Leerfahrten (oder vielmehr der Summe der auf den Leerfahrten zurückgelegten Leerkilometer) und der Anzahl der einzusetzenden Fahrzeuge. Durch Einfügen von Leerfahrten kann meist die Anzahl der benötigten Fahrzeuge reduziert werden, allerdings entstehen Kosten für die zusätzlichen Leerfahrten (Abbildung 185 unten). Umgekehrt können bei Einsatz von weiteren Fahrzeugen Leerfahrten eingespart werden (Abbildung 185 oben). Abhängig davon, wie Sie Leerfahrten auf der einen Seite und zusätzliche Fahrzeuge auf der anderen Seite kostenseitig bewerten, können sich unterschiedliche optimale Lösungen für die Umlaufpläne ergeben. Neben diesen beiden Eingangsgrößen bietet Visum noch weitere Kennzahlen an, die in die Kostenfunktion einfließen können. Die exakte Kostenfunktion, die dabei minimiert wird, finden Sie in der Verfahrensbeschreibung der Umlaufbildung (Graphenaufbau). Hier ist auch das Lösungsprinzip der Umlaufbildung in Visum durch Aufbau eines Graphen und der Lösung als Flussproblem beschrieben.

Abbildung 185: Zielkonflikt zwischen Leerfahrten und Fahrzeugbedarf

Bewertung der Umlaufbildung

Sowohl das Datenmodell für die Umlaufbildung als auch das Verfahren zur Umlaufbildung selbst, erlauben Ihnen komplexe Fragestellungen zu Umläufen und dem daraus resultierenden Fahrzeugbedarf zu analysieren. Im Folgenden werden die Vorteile des Verfahrens zur Umlaufbildung bewertet.

  • Die Lösung als Graphenflussproblem ermöglicht es nun auch, lange Stillstände von Fahrzeugkombinationen – zum Beispiel in Depots – zu verarbeiten. Es gibt keine maximale Aufenthaltszeit, d.h. ein Fahrzeug darf beliebig lange im Depot oder auch außerhalb stehen. Der Aufenthalt ist nun durch einen frei definierbaren Kostensatz bewertbar und kann somit in die Zielfunktion des Optimierungsproblems (Graphenaufbau) aufgenommen werden.
  • Die Abschätzung der für die Absolvierung der Umläufe benötigten Fahrzeuge ist genauer.
  • Werden geschlossene Umläufe gebildet, so können die Leerfahrten bestimmt werden, die notwendig sind, um die von einem Ort zum anderen verlagerten Fahrzeuge wieder an ihren Ausgangspunkt zurück zu befördern. Eine Vernachlässigung dieses Aufwandes für die Rückverlagerung von Fahrzeugen würde zu einer Unterschätzung des Fahrzeugbedarfs und der Leerkilometer bzw. der Leerzeit führen.
  • Die Dauer der Umläufe wird durch den Umlegungszeitraum, der über einen oder mehrere Kalendertage definiert werden kann, beschränkt, wodurch die Fahrzeuganzahl korrekt ermittelt wird.
  • Mindestwendezeiten haben einen erheblichen Einfluss darauf, welche Übergänge möglich sind. Analog der in der Praxis gebräuchliche Handhabung können Sie Restriktionen durch Mindestwendezeiten bei der Umlaufbildung als weich interpretieren und so eine Abwägung zwischen Unterschreitung der Mindestwendezeit und Fahrzeugeinsatz vornehmen.
  • Umläufe können manuell nachbearbeitet werden. Dabei können Sie insbesondere auch benutzerdefinierte Umlaufelementtypen anlegen. So können Sie zum Beispiel manuell Wartungstätigkeiten oder das Waschen von Fahrzeugen in Umläufe einplanen.
  • Viele Parameter können je Umlaufversion eingestellt werden, sodass sich verschiedene Varianten der Umlaufbildung leicht miteinander vergleichen lassen.
  • Umläufe sind jederzeit konsistent zu den darin gebundenen Fahrtabschnitten. Mögliche Inkonsistenzen betreffen lediglich verkürzte Vor- und Nachbereitungszeiten oder Leerfahrten, wenn das Netz nach einer Umlaufbildung noch geändert wird.
  • Umläufe unterliegen der Forderung nach Korrektheit nur zum Zeitpunkt ihrer Verwendung, sie müssen also nicht zwingend fehlerfrei sein. Das bedeutet: Sie können in vielen Fällen die Netzgrundlage bearbeiten, ohne dass die Umläufe gelöscht werden. Fehlerfrei müssen die Umläufe erst dann sein, wenn sie in anderen Verfahren eingesetzt werden, so zum Beispiel als Lieferant für Fahrzeugbedarf, Leerkilometer und Leerzeiten für die Berechnung der fahrzeugabhängigen Kosten im Verfahren ÖV-betriebliche Kennzahlen (Abbildung 211). Die Umlaufprüfung (Umlaufprüfung) unterstützt Sie dabei, eventuelle Fehler aufzudecken und zu korrigieren.
  • Verschiedene weitere betriebliche Fragestellungen können bei der Umlaufbildung berücksichtigt werden. Hierunter fallen die angestrebte Dauer der Umläufe (Anzahl Umlauftage), Verteilung der Stillstandszeiten, Einplanung von wiederkehrenden ortsfesten Tätigkeiten (Wartung) und die Berücksichtigung der Fahrtrichtung.