Überholen auf der Gegenfahrbahn modellieren
Sie können Überholvorgänge modellieren, bei denen Fahrzeuge, die andere Fahrzeuge überholen, dafür die Gegenfahrbahn verwenden. Damit simulieren Sie beispielsweise das Überholen von ÖV-Fahrzeugen, die innerorts auf einer Strecke mit nur einem Fahrstreifen vorübergehend anhalten oder außerorts das Überholen von langsameren Fahrzeugen. Es können sowohl mehrere Fahrzeuge überholen als auch mehrere Fahrzeuge überholt werden. Das überholende Fahrzeug soll insbesondere nur dann überholen, wenn auf der gegenläufigen Strecke kein entgegenkommendes Fahrzeug einen Überholvorgang ausschließt.
In Vissim möchte ein Fahrzeug überholen, wenn es eine relevant höhere Wunschgeschwindigkeit hat, als ein voraus fahrendes Fahrzeug (0 m/s bis 4 m/s, normalverteilt um den Mittelwert 2 m/s). Das Fahrzeug prüft dann folgende Voraussetzungen, um den Überholvorgang auf der Gegenfahrbahn durchführen zu können:
- Mit der Überholgeschwindigkeit würde das Fahrzeug in höchstens 4 Sekunden auf das vorausfahrende Fahrzeug auffahren. Die Überholgeschwindigkeit setzt sich aus der Wunschgeschwindigkeit und dem Attribut Überholgeschwindigkeitsfaktor (ÜbhGeschwFakt) zusammen.
- Auf der eigenen Strecke ist ein Überholfahrstreifen vorhanden (Attribute von Strecken).
- Der Überholfahrstreifen muss sich mit dem innersten normalen Fahrstreifen einer Gegenfahrbahn überlappen. Die Breite des Überlappungsbereichs ist nicht relevant. Der z-Wert der Gegenfahrbahn und des Überholfahrstreifens dürfen um nicht mehr als 0.5 m voneinander abweichen.
- Der Überholbereich, der sich aus Strecken und Verbindungsstrecken zusammensetzt, die sich mit einer Gegenfahrbahn überlappen, muss mindestens so lang sein, dass ein Fahrzeug ausreichend Platz für den gesamten Überholvorgang hat.
- Stromabwärts des letzten Fahrzeugs, das überholt werden soll, muss eine ausreichend große Lücke sichtbar sein, damit das überholende Fahrzeug nach dem Überholvorgang den Wechsel zurück auf den Fahrstreifen durchführen kann, auf dem es den Überholvorgang begonnen hat. Die Größe der Lücke muss mindestens der Fahrzeuglänge des überholenden Fahrzeugs entsprechen, plus den doppelten Sicherheitsabständen vorn und hinten, die beim normalen Fahrzeugfolgeverhalten auf einem Fahrstreifen notwendig sind.
- Der Überholvorgang muss sicher abgeschlossen werden können, ohne dass ein entgegenkommendes Fahrzeug gefährdet wird. Dafür erkennt das Fahrzeug entgegenkommende Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn innerhalb einer bestimmten Distanz. Diese Distanz ist für die Strecke der Gegenfahrbahn in deren Attribut Vorausschauweite für Überholen (VorausWeiteÜbh) definiert. Das Fahrzeug, das überholen möchte, geht sicherheitshalber davon aus, dass sich direkt außerhalb dieser Distanz ein entgegenkommendes Fahrzeug befindet. Für die Schätzung des Fahrtverlaufs des entgegenkommenden Fahrzeugs verwendet Vissim das Attribut Angenommene Geschwindigkeit des Gegenverkehrs ( AngGschwGegV) der Strecke der Gegenfahrbahn (Attribute von Strecken). Vissim berücksichtigt nicht weitere Fahrzeuge, die dem entgegenkommenden Fahrzeug folgen.
Die Abbildung unten zeigt im 2D-Modus:
- einen Ausschnitt einer Strecke 1, die mit einem Fahrstreifen 11 und einem Überholfahrstreifen 12 ( schraffiert) bei Rechtsverkehr von links nach rechts verläuft. Vissim stellt einen Fahrstreifen schraffiert als Überholfahrstreifen dar, sobald dessen Strecke über mindestens zwei Fahrstreifen verfügt und für die Strecke das Attribut Hat Überholfahrstreifen ausgewählt ist.
- einen Ausschnitt einer Strecke 2, die nur einen Fahrstreifen hat und im Rechtsverkehr von rechts nach links verläuft. Strecke 2 wurde als Gegenfahrbahn von Strecke 1 erzeugt und überlappt den Überholfahrstreifen 12 exakt.
- Für Überholvorgänge von Fahrzeugen, die auf Strecke 1 von links nach rechts fahren, verwenden Fahrzeuge den Überholfahrstreifen 12.
- Fahrzeuge, die auf Strecke 2 von rechts nach links fahren, können nicht überholt werden, da Strecke 2 keinen Überholfahrstreifen hat.
- Das graue Fahrzeug, das auf dem Überholfahrstreifen 12 überholt, erkennt, dass kein Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn innerhalb der Distanz entgegenkommt, die im Attribut Vorausschauweite für Überholen (VorausWeiteÜbh) der Strecke 2 definiert ist.
Das überholende Fahrzeug reduziert seine Geschwindigkeit auf seine Wunschgeschwindigkeit, sobald es den Überholfahrstreifen wieder verlässt.
Ein überholendes Fahrzeug kann einen Überholvorgang abbrechen, wenn nicht mehr rechtzeitig eine ausreichend große Lücke stromabwärts des überholten Fahrzeugs auf dem ursprünglichen Fahrstreifen erreicht werden kann. Dies kann der Fall sein, wenn unerwartet schneller Gegenverkehr auftaucht oder ein zu überholendes Fahrzeug beschleunigt. Wenn ein Fahrzeug einen Überholvorgang abbricht und zurück auf den ursprünglichen Fahrstreifen wechseln möchte, können nachfolgende Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit reduzieren, um den Fahrstreifenwechsel zu ermöglichen.
Das Fahrverhalten des Gegenverkehrs wird durch einen Überholvorgang nicht beeinflusst.
Bei der Prüfung der Länge des Überholbereichs wird entlang der aktuellen Fahrzeugroute oder des aktuellen Wegs des Fahrzeugs gesucht. Damit können Fahrzeuge ohne aktuelle Fahrzeugroute oder ohne aktuellen Weg nicht auf der Gegenfahrbahn überholen.
Die Breite der Fahrzeuge wird nicht als Kriterium für die Möglichkeit eines Überholvorgangs berücksichtigt. Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug und ein überholendes Fahrzeug nicht nebeneinander auf die Gegenfahrbahn passen.
Vor Beginn des Überholvorgangs berücksichtigt Vissim nicht Netzobjekte, die auf dem Überholfahrstreifen liegen, beispielsweise Langsamfahrbereiche, LSA oder Stoppschilder. Sobald der Überholvorgang begonnen hat, reagiert das überholende Fahrzeug aber auch auf solche Netzobjekte.
Wenn ein Fahrzeug von einer Strecke mit Überholfahrstreifen auf eine Verbindungsstrecke ohne Überholfahrstreifen wechselt, hat diese Verbindungsstrecke einen Fahrstreifen weniger als die Strecke mit Überholfahrstreifen. In diesem Fall legt die Entfernung, die im Attribut Fahrstreifenwechseldistanz (FsWechsDist) dieser Verbindungsstrecke angegeben ist, auch die Mindestentfernung vor der Verbindungsstrecke fest, bis zu der ein Überholvorgang spätestens begonnen werden kann. Innerhalb dieser Fahrstreifenwechseldistanz ist kein Überholen auf der Gegenfahrbahn möglich.
Falls die Voraussetzungen für die automatische Geschwindigkeitsbegrenzung in Kurven erfüllt sind, reagiert das Fahrzeug und kann seine Geschwindigkeit während des Überholvorgangs reduzieren (Wunschgeschwindigkeit ändern).
Überholen auf der Gegenfahrbahn für beide Fahrtrichtungen
Sie können Überholvorgänge modellieren, die in beiden Fahrtrichtungen stattfinden sollen. Dabei liegt jeweils ein zusätzlicher Überholfahrstreifen über dem innersten normalen Fahrstreifen der Gegenrichtung. So verwenden die überholenden Fahrzeuge beider Fahrtrichtungen jeweils die Gegenfahrbahn und berücksichtigen dabei entgegenkommende Fahrzeuge.
Die Abbildung unten zeigt im 2D-Modus:
- einen Ausschnitt einer Strecke 1, die mit einem Fahrstreifen 11 und einem Überholfahrstreifen 12 (schraffiert) von links nach rechts verläuft
- einen Ausschnitt einer Strecke 2, die mit einem Fahrstreifen 21 und einem Überholfahrstreifen 22 (schraffiert) von rechts nach links verläuft
- Die Strecken 1 und 2 sind so platziert, dass sich ihre Überholfahrstreifen 12 und 22 jeweils mit dem normalen Fahrstreifen der Gegenrichtung überlappen und so Fahrzeuge in beiden Richtungen auf der Gegenfahrbahn überholen können.
Übergeordnetes Thema:
Informationen zum Bearbeiten:
Netzobjekte und Attribute für das Überholen auf der Gegenfahrbahn definieren