Modellierungsbeispiele: Schnellster oder kürzester Weg?

Sie finden im Youtube-Kanal PTV Mobility der PTV GROUP eine sehr komplexe Animation verschiedener Szenarien, in denen Fußgängerverkehre modelliert werden:

 https://www.youtube.com/watch?v=8SmRBTJ-jeU.

Die Animation visualisiert das Prinzip, wie die simulierten Fußgänger in Vissim ihren Weg unter dem Aspekt der minimalen geschätzten Restreisezeit und unter Berücksichtigung anderer Fußgänger und von Hindernissen zurücklegen. Die Animation demonstriert auch den Effekt der Methode Dynamisches Potenzial. Sie vergleicht Fußgänger, die den zeitkürzesten Weg wählen, mit Fußgängern, die den entfernungskürzesten Weg wählen (Start bei  01:42).

Die Fußgänger versuchen wie die Fahrer von Fahrzeugen, ihre Reisezeit zur Erreichung des Ziels zu minimieren. Dieser Wunsch kann in einigen Situationen alle anderen Aspekte überlagern. Zudem kann die Laufrichtung für den jeweils zeitkürzesten Weg nicht immer problemlos ermittelt werden.

Einzelheiten zur Methode wurden in einem Artikel in Advances in Complex Systems veröffentlicht (externe Seite):

 https://dx.doi.org/10.1142/S0219525911003281

Verfügbar bei arXiv (externe Seite):

 https://arxiv.org/abs/1107.2004

Liste der Szenarien im Demo-Video

Der nachfolgenden Liste können Sie entnehmen, zu welchem Zeitpunkt im Video welches Szenario beginnt.

Hinweise:  

  • Die verschiedenen Szenarien laufen mit unterschiedlichem Zeitraffer-Faktor ab.
  • Der Wirkungsgrad des dynamischen Potenzials beträgt immer 100 %.
  • In allen Situationen bewegen sich die Fußgänger mit etwa gleicher Geschwindigkeit fort.

 

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Beschreibung

 01:42

Diese Situation ist real: Etwa 800 Fahrgäste entsteigen zwei Zügen, die zeitgleich im Bahnhof am Süd-Eingang zum Internationalen Congress Centrum Berlin (ICC) ankommen.

Damit im Modell eine große Gruppe von Fußgängern realistisch und effizient um eine Ecke biegt, wird hauptsächlich die Methode Dynamisches Potenzial verwendet.

Bei einer kleinen Gruppe von Fußgängern wären die Trajektorien des zeitkürzesten und des entfernungskürzesten Weges beinahe identisch, da beide Wege annähernd denselben Verlauf hätten.

 03:18

Hier muss eine große Gruppe von Fußgängern eine fast vollständige Kehrtwende vollziehen im Verlauf ihres Weges.

Da dies schwieriger ist, wird der Unterschied zwischen den beiden Vorgehensweisen (links/rechts) deutlicher.

 04:48

In diesem Szenario begegnen sich zwei große Fußgängergruppen als entgegengesetzte Ströme. In einer derartigen Situation bringt die Verwendung des Dynamischen Potenzials nicht zwingend bessere Ergebnisse. Allerdings ermöglicht es ein alternatives Fußgängerverhalten, das nach wenigen Sekunden deutlich wird. Das Verhalten links ist dann realistischer, wenn die Fußgänger davon ausgehen, dass der Gegenverkehr nur von kurzer Dauer ist, beispielsweise während der Grün-Phase am Fußgängerüberweg, wohingegen das Verhalten rechts dann realistischer ist, wenn die Fußgänger annehmen müssen, dass die Konstellation nicht von kurzer Dauer ist, beispielsweise beim Besuch einer öffentlichen Veranstaltung.

 06:18

Tritt Gegenverkehr an einer 90°-Biegung auf, kann das Dynamische Potenzial (rechte Seite) besser reproduzieren, dass die Fußgänger sich in derartigen Situationen effizienter fortbewegen und dass die meisten von ihnen in der Lage sind, eine Lösung für diese Situation zu finden. Allerdings kann es bei extrem hohem Fußgängeraufkommen auch in der Realität zu solch einer Stockung kommen, wie sie links visualisiert ist.

 07:48

Gegenverkehr an einer Wegbiegung um 180° (U-turn).

 09:18

Einfache Bahnhofshalle: Einige Fahrgäste (rot) eilen zu ihrem Zug, andere (grün) sind gerade ausgestiegen und streben dem Ausgang zu, ohne sich in der Halle aufhalten zu wollen, wohingegegen weitere Fahrgäste (blau) rechtzeitig vor ihrer Abfahrt in der Halle eingetroffen sind und jetzt dort stehend oder herumschlendernd die Wartezeit verbringen. (Gut erkennbar ist die Gruppe ziemlich groß und verhält sich eigenartig, dadurch kann der Effekt der Methode besser veranschaulicht werden.) Im Video oben links folgen die grünen und die roten Fußgänger dem entfernungskürzesten Weg. Jedoch werden sie von der zahlenmäßig wachsenden blauen Gruppe zunehmend blockiert.

Das Video oben rechts und die unteren beiden Szenarien wurden mit dem zeitkürzesten Weg simuliert, allerdings mit unterschiedlichen Werten für Parameter h. Einzelheiten zu Parameter h können Sie der o.g. Veröffentlichung entnehmen.

In den unteren beiden Szenarien fällt auf, dass die roten und die grünen Fußgänger in der Lage sind, jeweils eine separate Laufrichtung einzuschlagen beziehungsweise spontan Spuren zu bilden, was mit Parameter h=0 im Beispiel oben rechts nicht gelingt.

 10:08

Dies ist ein theoretisches Modell, das in der Praxis nicht annähernd zu beobachten ist: Allerdings veranschaulicht es sehr deutlich und genau den Effekt des Ansatzes „zeitschnellster Weg“ beziehungsweise vom Dynamischen Potenzial.

 10:48

Bisher waren alle Fußgänger-Routenentscheidungen kontinuierlich. Damit hatten die Fußgänger immer Wegeoptionen zu ihrem Ziel zur Auswahl. Dies ist das erste Beispiel mit diskreten Alternativen. Die Fußgänger müssen sich entscheiden, ob sie den linken oder den rechten Korridor benutzen wollen. Für derartige Situationen wurde die Methode des Dynamischen Potenzials nicht entwickelt. Andere Methoden könnten geeigneter sein. In Vissim beispielsweise die Verwendung von Fußgänger-Teilrouten. Dennoch eignet sich das Dynamische Potenzial auch in diesem Fall.

 12:43

Eine Zuschauertribüne: Der interessante Aspekt an diesem Beispiel ist, dass die Tribüne für die Fußgänger im Grunde aus einer Folge eindimensionaler Objekte (Strecken) besteht. Deshalb können sich die Richtungen des zeitkürzesten Wegs und des entfernungskürzesten Wegs um 180° unterscheiden. Das ist in diesem Video sehr deutlich, wenn Fußgänger einen Umweg in Kauf nehmen, um dadurch Gehzeit zu sparen.